Holocaust Gedenktag – Bericht und Redebeitrag

Am Samstag, den 27.01. fand auf dem Karlsruher Marktplatz eine Kundgebung zum Holocaust Gedenktag statt. Insgesamt nahmen 100 Personen an der abendlichen Veranstaltung teil, die anlässlich des 79. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz stattfand.

Auf der Kundgebung wurden drei Redebeiträge gehalten, die an die unvorstellbar grausamen Morde und das Leid, welches der deutsche Faschismus über viele Millionen Menschen in ganz Europa brachte, erinnerten. Darüber hinaus wurden zwei Videos gezeigt, in denen die die Schrecken des Nationalsozialismus und die Folgen von menschenverachtenden Ideologien auch bildlich deutlich wurden. Auch Überlebende des KZ Auschwitz kamen in den Videos zu Wort.

Der Redebeitrag von Solidarische Perspektiven anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus:

Die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die russische Armee jährt sich heute, am 27.Januar zum 79. Mal.

Wir gedenken heute denjenigen, die im Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden: Juden und Jüdinnen, Sinti*zze und Rom*nja, Schwarze Menschen, queere Menschen, psychisch kranke und behinderte Menschen, Menschen, die als “asozial” verfolgt wurden, Menschen, die aufgrund ihrer politischen Haltung oder Religion verfolgt wurden. All dies waren Menschen, die nicht in die Ideologie des Nationalsozialismus passten. Dabei waren viele Opfer Teil mehrerer verfolgter Gruppen. Den heutigen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus gibt es erst seit 1996.

Es wurden insgesamt 6 Millionen jüdische Menschen in Europa während des Nationalsozialismus ermordet. Im Konzentrationslager in Ausschwitz starben allein 1,1, Millionen jüdische Menschen. Die Personen, die von den Nationalsozialisten mit großer Unterstützung der deutschen Bevölkerung ermordet wurden, waren Menschen, die noch einige Jahre zuvor Teil der Gesellschaft abbildeten. Menschen, die in politischen Ämtern saßen. Menschen, die Angestellte waren oder ein kleines Geschäft geführt haben, darunter waren wohnungslose Menschen, Nachbar*innen, Kolleg*innen, die beste Fußballspielerin, die man sich vorstellen konnte. Es waren Menschen, die von den Nationalsozialisten gezielt mit einer perfiden perfektionierten Mordmaschinerie ermordet wurden.

Die Befreiung der Konzentrationslager bedeutete nicht automatisch ein freies Leben für die ehemaligen Gefangenen.
Gesetze, Vorstellungen, Vorurteile und Stereotype führten nach 1945 zu alltäglicher Diskriminierung und Gewalt.
Viele Gruppen mussten lange Zeit nach der Befreiung der Konzentrationslager im Jahr 1945 weiterhin für die Anerkennung als offizielles Opfer des Nationalsozialismus kämpfen. Sinti*zze und Rom*nja kämpften bis vor wenigen Jahren um die Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus. Alte Strukturen in der Polizei, Gesetzgebung sowie Verwaltung lebten zum Teil leicht unbenannt fort. Ehemalige Täter*innen, die während des Nationalsozialismus Teil der Verfolgungsmaschinerie von Sinti*zze und Rom*nja waren, kamen ungestraft davon und blieben zu einem großen Teil weiterhin anerkannte Expert*innen. Erst im Jahr 2015 entschuldigte sich die Präsidentin des Bundesgerichtshofs für deren skandalöses Urteil in Fragen der Entschädigung von Sinti*zze und Rom*nja von 1956. In dem Urteil wurde die rassistische Verfolgung geleugnet und eine Kriminalisierung der Verfolgten vorgenommen.

Gesetze, die in der Weimarer Republik erlassen wurden, wie z.B. die Kriminalisierung von homosexuellen Menschen durch den Paragraf 175 wurde erst 1994 abgeschafft. Im Jahr 2002 hob der Bundestag die während der Zeit des Nationalsozialismus ergangenen Urteile diesbezüglich auf. Erst am 22. Juli 2017 wurden auch alle Urteile, die auf Grundlage des Paragrafen 175 nach dem Jahr 1945 verhängt wurden, aufgehoben. Dies sind nur zwei Beispiele von vielen.

Mit der Shoa, dem grausamen, systematischen Völkermord an rund sechs Millionen Juden*Jüdinnen in Europa, setzten die Nationalsozialist*innen ihre menschenverachtende antisemitische Ideologie in vernichtender Art und Weise in die Tat um.
In Deutschland hat der Antisemitismus nicht mit dem Nationalsozialismus angefangen und war auch nicht nach 1945 verschwunden.
„Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen.“ – mit diesen Worten des Auschwitz Überlebenden Primo Levi wird uns bewusst, dass rechtsextremistische und faschistische Gedanken, Reden und Taten nicht nur in der Vergangenheit liegen, sondern in unserem Alltag präsent sind.
Gemeinsam wollen wir uns heute gegen das Erstarken von rechtsextremistischen, faschistischen Bestrebungen und allen menschenfeindlichen Ideologien stellen.
Antisemitismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Das größte Massaker an jüdischen Menschen seit dem Ende des Holocausts am 7. Oktober 2023 zog in Deutschland und vielen anderen Teilen der Welt eine enorme Welle antisemitischen Hasses nach sich.
Im Zeichen des allgegenwärtigen Antisemitismus und der ganz aktuellen Ereignisse ist es umso wichtiger, immer wieder daran zu erinnern, wohin Antisemitismus führen kann.

NIE WIEDER!

Holocaust Gedenktag – Kundgebung (27.01. um 17:30 Uhr Marktplatz KA)

Am 27.01. um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz Karlsruhe.

Zum Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz wir eine Kundgebung auf dem Karlsruher Marktplatz stattfinden.

Gemeinsam wollen wir den unzähligen Opfern des deutschen Faschismus gedenken.

Die Befreiung des KZ Auschwitz jährt sich nun zum 79. mal und wir sagen „Nie wieder!“

Es werden kurze Videos gezeigt und es gibt Platz für Redebeiträge.

Wann: 27.01.2024 um 17:30 Uhr

Wo: Marktplatz Karlsruhe (An der Pyramide)

Zu den Entwicklungen von Vio.Me nach der Versteigerung des Firmengeländes

Auf dem Foto ist zentral ein Transparent mit der Aufschrift "Hände weg von Vio Me zu sehen.
Hinter dem Transparent stehen mehrere Menschen. 
Es ist Dunkel.
Auf der rechten Seite ist eine schwarze Fahne mit einem Anarchiezeichen zu sehen.
Links im Hintergrund ist eine Leinwand zu sehen, auf der ein Film abgespielt wurde.

Im Oktober haben wir uns einem Solidaritätsaufruf von Vio.Me angeschlossen und eine kleine Aktion in Karlsruhe durchgeführt. Es gab die Befürchtung, dass die besetzte Fabrik in Thessaloniki geräumt werden könnte.

Wir haben bei Vio.Me nachgefragt, was genau passiert ist. Leider hat es etwas gedauert, bis wir dieses Statement jetzt veröffentlichen können.

Erklärung der VIO.ME-KollegInnen vom 10. Dezember 2023

Was ist passiert?

In den letzten Wochen wurde viel über die Geschehnisse berichtet, die dazu führten, dass wir in die Parzelle 60, einer abgegrenzten Halle gegenüber dem großen Fabrikgelände, ausgelagert wurden.
Wir, die ArbeiterInnen die die Fabrik VIOME besetzt haben, haben das Bedürfnis, die Ereignisse zu erklären, die uns an diesen Punkt gebracht haben.

Im Februar 2023 wurde die Firma FILKERAM1 (Vio Me war eine Tochterfirma) zwangsversteigert und ihr Grundstück veräußert. Seitdem haben wir zur Solidarität aufgerufen, und die Resonanz war sehr stark . Es fand eine Versammlung statt, an der über 150 Menschen und Kollektive teilnahmen, um einen Weg zu finden, die Zwangsräumung des Teils der Fabrik zu verhindern, den wir seit Sommer 2011 besetzt hatten.

Es wurde beschlossen, verschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um das besetzte Fabrikgelände in unserem Besitz zu halten, nicht nur als Arbeitsplatz, sondern auch als sozialen, kulturellen und politischen Raum, wie er es in den letzten 11 Jahren war. In diesen Jahren gelang es uns (zusammen mit solidarischen Menschen und Projekten), viele Zwangsversteigerungen zu verhindern und eine faktische Anerkennung dieses Ortes als gemeinsames kulturelles, soziales und politisches Projekt durchzusetzen.

10 Jahre Vio Me

Im April 2023 haben wir eine Feier zu unserem 10. Geburtstag organisiert, die ein großer Erfolg war, da ein großer Teil der Gemeinschaft daran teilnahm (über 10.000 Menschen). Mit den zentralen Slogans „Die Fabriken den ArbeiterInnen“, und „Nach zehn Jahren ist es keine Utopie, es ist eine Fabrik, die Geschichte macht!“, zeigten die Anwesenden, die alle mit einer Stimme diese Losungen riefen, ihre Absichten in dieser Nacht. Danach gab es eine Live-Performance der Libertasalonica2, eine weitere Live-Performance des Festivals der HausbesetzerInnen, eine Theateraufführung des Kollektivs „En Dynamei Ensemble“3 und viele, viele Live-Performances der Solidaridad Cantina. Alles in allem haben sehr viele Menschen die Veranstaltung unserer Fabrik besucht.

Die Zwangsversteigerung und die Bewachung der Fabrik

Währenddessen wollten wir herausfinden, inwieweit der Prozess der Zwangsversteigerung legal war, um eventuell die undurchsichtigen Machenschaften des neuen Eigentümers erahnen zu können. Dieser hingegen versuchte, so oft er auch auftauchte, freundlich und aufgeschlossen zu erscheinen und uns die Fortsetzung des Projektes auf dem Grundstück Nr. 60 zu erlauben. Er versuchte uns von Anfang an davon zu überzeugen, dass er keine Maßnahme ergreifen würde dieses ebenfalls zu kaufen. Jedes Mal, wenn wir um weitere Informationen baten, antwortete er jedoch nicht. Irgendwann bat er uns um einen Termin, bei dem sein Anwalt und sein Ingenieur anwesend waren, und sie schlugen vor, die Straße auf der Rückseite der Parzelle 60 zu reparieren, damit wir sie als Ein- und Ausfahrt nutzen können.

Der Erschöpfungszustand der KollegInnen nach so vielen Jahren der Bewachung der Fabrik, sieben Tage die Woche, vierundzwanzig Stunden am Tag, in Verbindung mit der geringen Beteiligung anderer Strukturen in der Gegend, ließ uns bezüglich unserer Kampfeinstellung misstrauisch werden. In der letzten Periode spürten wir, dass sich etwas zusammenbraute.
Wir organisierten eine Verstärkung der Schichten, die von vielen solidarischen MitstreiterInnen übernommen wurden. Es begann erneut eine Phase des Kampfes gegen die Zwangsräumung der besetzten Fabrik. Es wurden Solidaritätsversammlungen abgehalten und die Fabrik wurde rund um die Uhr bewacht. Die Tage vergingen ohne jegliche Entwicklung, und wir merkten, dass sich Müdigkeit einstellte. Wir beschlossen, die Schichten zu verkürzen, da wir bei diesem Tempo nicht mehr lange durchhalten konnten.

In dieser Phase versuchte der neue Investor, das gesamte FILKERAM-Grundstück einzuzäunen, so dass wir praktisch ohne Zufahrt dastanden. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich in der Fabrik sieben KollegInnen und zehn solidarische MitstreiterInnen, die mit der Bewachung betraut waren. Sie alle stellten sich vor das Montage-Team und hinderten es daran, den Zaun zu errichten.
Die Polizeipräsenz betrug etwa zehn Personen. Trotz ihrer Überlegenheit wagten sie es nicht eine Verhaftung vorzunehmen. In diesem Moment erschien ein selbsternannter „Superman“ und versuchte (trotz unserer Einwände ihn zu stoppen), unseren energischen Protest zu unterbrechen. Er schlug vor, dass es Gespräche zwischen den beiden Seiten geben sollte. Schließlich überzeugte er den Eigentümer und einen Teil der KollegInnen und MitstreiterInnen, die Umzäunung zu verschieben, was zu einer sinnlosen, inhaltslosen Verhandlungsrunde führte.

In diesem Moment dachten wir, wir würden Zeit gewinnen, aber in Wirklichkeit haben wir dem Eigentümer Zeit gegeben, einen Räumungsplan vorzubereiten. Das ist die Taktik des Kapitals zu reagieren, wenn es sich in einer schwierigen Lage befindet. Wenn es entschlossenen Widerstand gegen eines seiner Vorhaben gibt, annullieren seine Manager scheinbar ihre Pläne, aber im nächsten Moment wird ihr Konzept mit der Schock-Strategie wieder aufs Tablette gebracht (wie von Naomi Klein in dem gleichnamigen Buch beschrieben wird).
Nach zwei Wochen des Wartens und eines substanzlosen Dialogs tauchte der neue Eigentümer um sechs Uhr morgens mit einem sehr starken Polizeiaufgebot aus Bereitschaftspolizei, Spezialeinsatz- und Sicherheitskräften auf. Sie sperrten die Umgebung ab, um den Zugang für jedermann zu verhindern, und betraten die besetzte Fabrik mit einem Staatsanwalt!
Einigen KollegInnen gelang es mit viel Mühe und nach einer Verfolgungsjagd (durch die Sicherheitskräfte), das Gelände zu betreten. Uns wurde dann von der Polizei mitgeteilt, dass sich unsere Besetzung nur auf das Grundstück 60 beschränkt und dass „wir es mit der Rebellion nicht übertreiben sollten, denn schließlich gehöre uns auch diese Parzelle nicht!“
Die vier Arbeiter, die es geschafft haben, auf das Gelände zu gelangen, versuchten dann so viel wie möglich von unseren Apparaten und Instrumenten mitzunehmen. Aber „das Spiel ist aus“. Alles, was wir in diesem Moment mitnehmen konnten, sind Teile der Betriebsausrüstung der SE VIO.ME.
Es gelingt uns, mit der Polizei einen Zeitraum für den Umzug zu vereinbaren, und über unsere geplante Veranstaltung am nächsten Tag zu verhandeln (wir haben darum gebeten, den einzigen Eingang zur Fabrik nicht zu schließen).

Das Spiel mit der Zeit

Was nun die oben erwähnte Taktik (vor der Schock-Strategie) betrifft, positionierte sich das Kapital, da es sich schwach fühlte (in der Ära 2010-2015), nicht gegen das Projekt der Selbstverwaltung. Das lag nicht nur daran, dass unser Schicksal weltweit große Aufmerksamkeit erregt hatte, sondern auch in der Region und auf den Straßen der Stadt stark präsent war. Sie ließen die Zeit gegen uns arbeiten. Sie rechneten damit, dass wir müde werden und aufgeben. Doch sie mussten feststellen, dass dies nicht der Fall war. Im Gegenteil. Die Menschen reagierten positiv auf unsere Aufrufe die jeweiligen Zwangsversteigerungstermine zu blockieren.
Zunächst wurde ein Betretungsverbot für den Korridor zum Büro der Konkursrichterin unter Mithilfe von Bereitschaftspolizisten im Gerichtsgebäude verhängt. Später wurden die Versteigerungen elektronisch durchgeführt. Sie fanden einen Investor und schafften es (mit den entsprechenden Garantien), die Immobilien zu veräußern.

Andererseits gab es im Laufe der Zeit (11 Jahre) keine weiteren ähnlichen Besetzungen und es wurden landesweit keine vergleichbaren Strukturen geschaffen. Erschöpfung trat ein. Der Einfluss der Solidaritätsinitiative nahm ab, die Gesellschaft (die ArbeiterInnen nicht ausgenommen) erlebte eine konservative Wende.
Schließlich muss auch mitberücksichtigt werden, dass es uns nicht gelungen war, in den zehn Jahren unseres Bestehens zu beweisen, dass durch eine solidarische Praxis ähnliche Projekte funktionieren könnten. Projekte, die neue Arbeitsplätze und Einkommen für die dort arbeitenden Menschen schaffen im Gegensatz zu den Betrieben mit einer Chefetage – eine Situation, die die Perspektivlosigkeit gefördert hat.

Am Ende haben wir in einer sinnlosen Verhandlung mit dem neuen Eigentümer nachgegeben und uns auf das Grundstück Nummer 60 zurückgezogen. Doch all dies bedeutet nicht, dass wir den Kampf aufgeben, unseren Anspruch auf das gesamte Gelände mit anderen Mitteln durchzusetzen.

Wir, die KollegInnen der „Kooperative der ArbeiterInnen der VIO.ME“, zusammen mit dem Kollektiv „Kantine Solidaridad“ (Theatergruppe „En Dynamei Ensemble“), den solidarischen Menschen, die uns umgeben, und jeder anderen solidarischen Struktur, die sich in der Zwischenzeit gebildet hat, werden diesen Kampf bis zum Ende führen!

Trotz allem, was passiert ist, erfolgte die Wiederaufnahme der Produktion in der Halle 60 schnell. Die reflexartige Inbetriebnahme der Produktion und der Zugang einiger neuer KollegInnen ist ein weiterer Beweis, dass die Fabrik der VIO.ME durch die Kooperative der SE VIO.ME weiterhin produzieren und die Hoffnung auch für ähnliche Projekte der ArbeiterInnen lebendig halten wird. Denn das können wir viel besser machen!

Mit kämpferischen und solidarischen Grüßen
Die ArbeiterInnen der VIO.ME

Fußnoten:
1 Filkeram war die Muttergesellschaft der VIOME. Ihre Immobilien bestanden aus mehreren Grundstücksparzellen.
2 Libertasalonica ist eine libertäre Initiative (Bündnis) in Thessaloniki
3 „En Dynamei Ensemble“ ist ein Kollektiv junger KünsterInnen mit und ohne Behinderung.

20.01.2024: Mit 25 000 Menschen auf der Straße gegen rechte Umtriebe

Am 20.01.2024 haben sich etwa 25 000 Menschen an einer Demonstration gegen rechte Umtriebe beteiligt. Die Demonstration wurde von einem breiten Bündnis aus zivilgesellschaftlichen und politischen Gruppen und Einzelpersonen getragen.

Wir haben uns zusammen mit verschiedenen Menschen und einem kleinen Lautsprecherwagen an der Demonstration beteiligt.
Als kleine Aktion praktischer Solidarität haben wir ein paar Liter Tee verteilt, worüber sich angesichts der kühlen Temperaturen einige Umstehende gefreut haben.

Zudem wurde ein Flyer von Solidarische Perspektiven verteilt, den wir an dieser Stelle dokumentieren möchten:

Solidarische Perspektiven schaffen – rechten Strukturen die Basis entziehen!

Am 10. Januar veröffentlichte die Rechercheplattform Correctiv einen Bericht über ein privates Treffen verschiedener rechter Akteur:innen. Darunter Martin Sellner von der Identitären Bewegung und Vertreter:innen weiterer Gruppierungen wie AfD, Werteunion,
Verein Deutscher Sprache und CDU.

Seit dem ist ein Aufschrei durch Teile der Bevölkerung gegangen. Schon in den Vergangenen Tagen sind weit über 100 000 Menschen in verschiedenen Städten auf die Straße gegangen, um ihren Widerspruch gegen menschenfeindliche Ideologien zu zeigen.

Was für viel mediale Aufregung sorgt und offensichtlich bei vielen Menschen bitter aufstößt, dürfte für viele Beobachter:innen der rechten Szene nicht sehr überraschend sein.
Die Vernetzung von Parteien, außerparlamentarischen Gruppen und Geldgeber:innen ist genauso Teil neurechter Strategie, wie sogenannte Bildungsseminare.

Die sogenannte Neue Rechte ist Anfang der 90er Jahre entstanden. Die menschenverachtenden Idee, ob völkisch, nationalistisch, rassistisch, antisemitisch, ableistisch oder queerfeindlich sind nicht neu. Neu sollte lediglich die Strategie sein, mit der sich die extreme Rechte, ob faschistisch oder völkisch nationalistisch, mehr Macht ergreifen kann.
Zu dieser Strategie gehören sogenannte Bildungszentren und Medienarbeit, ob im Internet, in Form von Büchern oder Zeitschriften, die mit Hilfe von Geldgeber:innen die menschenverachtende Ideologie in der Bevölkerung verbreiten soll. Im Mittelpunkt dieser Strategie steht der rechtsextreme Thinktank „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda. Teil dieses Netzwerkes sind neben Parteien wie den Republikanern, der NPD, der AfD, Netzwerke wie Ein Prozent oder die Identitäre Bewegung, aber auch Zeitschriften wie die
Junge Freiheit, die Sezession, Cato und Buchverlage wie Antaios.
Das Ziel ist auf der einen Seite die Vernetzung rechtsextremer Strukturen in Deutschland und International, aber allen voran die Idee, den öffentlichen Diskurs durch die Verbreitung von Propaganda und die Platzierung und Umdeutung von Begriffen zu beeinflussen.

Einer dieser Begriffe, der in den letzten Tagen für viel Aufsehen sorgt heißt Remigration. Er beschreibt zunächst lediglich den Vorgang, bei dem Menschen, die migriert sind zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurück kehren.

In den 90er Jahren wurde dieser Begriff zum ersten Mal umgedeutet und mit der Idee von Massenausweisungen und Deportationen belegt. In den 2010er Jahren wurde er allen voran  von der Identitären Bewegung und Parteien wie der AfD in der Öffentlichkeit verankert.
Die Strategie hat bis zuletzt ganz gut funktioniert. Der Begriff Remigration ist in der Debatte allgegenwärtig, die AfD spricht seit Jahren im Bundestag davon. Die Verschleierung der menschenverachtenden Ideologie hinter einem scheinbar unverfänglichen Begriff hat offensichtlich große Teile der Bevölkerung geblendet.
Weitere Begriffe der neuen Rechten, die in den letzten Jahren den öffentlichen Diskurs mitbestimmt haben sind Flüchtlingswelle oder Asylflut, die für viele Menschen lediglich ein Problem beschreiben, jedoch gezielt eine Entmenschlichung und die Gleichsetzung mit Naturkatastrophen zeichnet, um zum einen die mögliche Empathie zu entziehen, zum anderen die Notwendigkeit einer Strikten Bekämpfung zu suggerieren.

Lange genug hat es demnach gedauert bis sich so viele Menschen wie jetzt in der Öffentlichkeit zeigen und dieser Entwicklung  widersprechen.
Wir freuen uns über die Bilder von tausenden Menschen auf den Straßen. Gleichzeitig darf man sich über so manche Vorschläge der letzten Tage wundern, wie dem Ganzen zu entgegnen ist.
Da fordern beispielsweise 1,5 mio Menschen in einer Petition Björn Höcke Grundrechte zu entziehen. Oder ein Parteiverbot, das vorübergehend einen parlamentarischen Einfluss verhindern mag, die Ideologie jedoch nicht bekämpft.
Hendrik Wüst, Ministerpräsident der CDU wünscht sich noch immer dass die AfD geschwächt wird, indem die CDU ihre Politik umsetzt und fordert Grenzsicherung und Abschiebungen. Der neuen rechten kann nichts besseres passieren als das, können sie dann schon zum nächsten Schritt ansetzen. Diese Strategie hat schon in der Geschichte nicht funktioniert.

Was wir vielmehr brauchen ist eine Auseinandersetzung mit den Gründen, die zur Erstarkung der rechten führen. Wir brauchen solidarische Strukturen, die die Probleme der Menschen wahrnehmen und sich mit ihnen beschäftigen. Wir müssen dem
Konkurrenzdenken ein Ende setzen, das sich erst zwischen Einzelpersonen entlädt, im nächsten Schritt gegen wirtschaftlich schwächer gestellte gerichtet wird, dann Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielt, auf rassistische Ressentiments übertragen wird und wiederzufinden ist in völkischen, nationalistischen und faschistischen Ideologien. Was wir brauchen sind antifaschistische Strukturen, die die Strategien und Strukturen dieser menschenverachtenden Ideologie offen legen. Deren Arbeit als wichtiger Bestandteil einer offenen Gesellschaft angesehen wird.

Was wir vor allem brauchen ist eine Gesellschaft in der möglichst viele Menschen über all dort den menschenverachtenden Einstellungen widersprechen wo sie sichtbar werden. Überall dort auf menschenverachtende Strukturen aufmerksam machen, wo sie auftreten.
Und die nicht diese Begriffe reproduzieren, mit denen versucht wird menschenverachtende Ideologien zu verschleiern und salonfähig zu machen.

Was wir brauchen ist eine Gesellschaft, die ihre Zukunft in der Solidarität und der gegenseitigen Unterstützung sieht, statt Sündenböcke zu suchen und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Problemlösung begreift.

Rechte Strukturen bekämpfen – auf allen Ebenen, mit allen Mitteln!
Gegen die Feind:innen der Freiheit!
Für eine solidarische Gesellschaft!

Redebeitrag Nachttanzdemo 05.01.2024

Das ist der Redebeitrag, den wir auf der Beat the System Nachttanzdemo am 05.01.2024 in Karlsruhe gehalten haben:

Liebe Leute,

seit einigen Wochen ist, wie so oft, der Sparzwang wieder das Thema, welches die parlamentarische Politik und Berichterstattung dominiert. Sowohl auf kommunaler Ebene, wenn es um den Haushalt der Stadt Karlsruhe geht, wie auch auf Bundesebene, überall führt die neoliberale Ideologie und der damit verbundene Sparzwang zu Einsparungen die insbesondere im sozialen Bereich besonders weh tun.
Die Schuldenbremse, wurde vor weniger als zwei Jahrzehnten in das Grundgesetz aufgenommen, wodurch die marktradikale Ideologie in der Verfassung verankert wurde und statt für vermeintliche Generationengerechtigkeit zu sorgen, zu riesigem Investitionsstau führen und nächste Generationen mit Klimakatastrophe, zerfallenen öffentlichen Gebäuden und vor allem einem zerlegten Sozialstaat zurück lassen wird. Immer, wenn gespart werden soll, wird dies auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen. Sozialleistungen werden gekürzt, Kitabeiträge erhöht und das vermeintliche Bürgergeld ist nicht viel mehr als ein schlechter Witz. Und auch das wird noch sanktioniert.
Für Klimagerechtigkeit und für ein solidarisches Miteinander: Weg mit der Schuldenbremse.

Doch wie so oft können wir uns leider bei der Bekämpfung all dieser Probleme nicht auf den Staat verlassen. Deshalb braucht es solidarische Strukturen und Projekte die im Kleinen Veränderungen bewirken und die zeigen und erproben wie es sein kann und wie es sein sollte.

Solidarität statt Konkurrenz!

19.02. um 19 Uhr Was ist Antisemitismus? Was ist Israel?

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 19. Februar 2024, 19 Uhr

Cafe Noir, Schauenburgstr. 5, 76135 Karlsruhe

Vorher gibt es um 18 Uhr Essen im Rahmen einer Küche für Alle.

(Fast) alle sind gegen Antisemitismus – und wissen trotzdem nicht, was er ist. Viele Linke glauben, sie seien dagegen immun, weil sie Antirassist*innen sind. Doch Antisemitismus ist etwas völlig anderes als Rassismus. Er ist eine Verschwörungsideologie mit antikapitalistischem Anspruch, die nichts vom Kapitalismus kapiert hat. Linke, die von „der profitgierigen Kapitalistenklasse“ reden und Klimaaktive, die glauben, „die Reichen“ seien an der Klimakrise schuld, sind deswegen keine Antisemit*innen – aber anfällig für antisemitische Denkmuster. Auch auf Coronademos wurde von Milliardären phantasiert, die „schuld sind“.

Der moderne Antisemitismus wurzelt im zwei Jahrtausende alten christlichen Antijudaismus, der die Juden als Inkarnation des Bösen schlechthin imaginiert. Von Europa aus verbreitete er sich weltweit. Seinen bisherigen Höhepunkt fand er in der Shoah. Die Nationalsozialisten setzten die eingebildeten „Gierigen und Mächtigen, die die Welt versklaven“ mit „den Juden“ gleich.

Seit der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 weiß jede Jüdin, gleich wo sie lebt: Kommt es wieder ganz schlimm, gibt es immer noch den jüdischen Staat. Das bestialische Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 zielte vorsätzlich auf dieses Schutzversprechen. Die Dimension dieser tiefen Zäsur für die israelische Gesellschaft und alle Jüdinnen und Juden kann nur ermessen, wer sich über den antisemitischen Vernichtungswahn der Hamas, der Hisbollah, des iranischen Regimes und seiner Verbündeten im Klaren ist. Israel verstehen heißt seine Gegner verstehen. Beides geht nur, wenn man Antisemitismus verstanden hat. Wer hingegen von Israel als „Kolonialprojekt“ oder „Apartheidstaat“ spricht, hat nichts verstanden.

Lothar Galow-Bergemann schreibt u.a. für Jungle World und Emanzipation und Frieden

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